die Seite 0556: Dr. Heinrich Rabeling

„So tief ist keine Versenkung, dass alle Spuren vernichtet werden könnten,
nichts Menschliches ist so vollkommen; dazu gibt es zu viele Menschen in der Welt, um Vergessen endgültig zu machen. Einer wird immer bleiben, um die Geschichte zu erzählen.
Deshalb kann auch nichts jemals ‚praktisch nutzlos‘ sein, jedenfalls nicht auf die Dauer.“
(Hannah Arendt)

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I. Zusammenlaufende Linien

In einem Ort können auf vielfältige Weise Linien zusammenlaufen. Der Oldenburger Hafen war jahrzehntelang nicht nur zentraler Umschlagplatz für Waren und wichtiger Verkehrsknotenpunkt, Mittelpunkt im Arbeitsleben vieler Menschen, er war gleichzeitig auch der Knotenpunkt in der Biografie des Oldenburger Oberbürgermeisters Dr. Heinrich Rabeling (1890-1956).

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II. Rätsel

Die Person Heinrich Rabeling ist rätselhaft und oft schwer greifbar. Sie bleibt dies auch dann noch, wenn man sich intensiver mit ihr beschäftigt hat.

Da ist auf der einen Seite der strebsame und ehrgeizige junge Mann aus gutem Elternhaus, der als examinierter Jurist Karriere in verschiedenen Verwaltungsämtern des Oldenburger Landes macht, als Finanzexperte gilt und es kurzzeitig als Referent sogar bis ins Reichsarbeitsministerium schafft.
Im Ersten Weltkrieg wird Heinrich Rabeling als Reserveoffizier der Feldartillerie mit dem Eisernen Kreuz erster und zweiter Klasse und dem Friedrich-August-Kreuz erster und zweiter Klasse ausgezeichnet.
Anfang Januar 1933 wird dieser Mann dann mit nur 42 Jahren zum Oberbürgermeister der Stadt Oldenburg gewählt. In seiner Antrittsrede zeigt sich Rabeling sachlich, pragmatisch, will vor allem die städtischen Finanzen ordnen, die Situation für Notleidende verbessern und in der Verwaltung ein konstruktives Miteinander fördern.

Schon wenige Monate später, am 23. März 1933, unterzeichnet der gleiche Heinrich Rabeling aber auch einen Beschluss, in dem dazu aufgerufen wird, in Zukunft nur noch in „christlichen, deutschstämmigen“ Geschäften einzukaufen sowie Aufträge nur noch an „christliche, deutschstämmige“ Firmen zu vergeben. „Bücher und Zeitschriften nichtchristlicher und nichtdeutschstämmiger Verleger dürfen nicht gekauft bezw. gehalten werden. Dies gilt auch für a l l e städtischen Betriebe.“ Es ist einer der ersten Schritte, die jüdischen Bürger der Stadt auszugrenzen. Viele weitere werden in den kommenden Jahren folgen.

Die Unterschrift des Oberbürgermeisters findet sich auch unter der Urkunde, die die Stadt noch Jahrzehnte später beschäftigen wird: Durch Initiative von Heinrich Rabeling wird im Jahr 1937 die Ehrenbürgerwürde der Stadt Oldenburg an Adolf Hitler verliehen.
Trotzdem gilt Rabeling nicht als überzeugter Nationalsozialist. Er wirkt eher wie ein Mann der zweiten Reihe, der sich um gute Beziehungen zur Spitze der Partei bemüht, um funktionierende Verhältnisse zu erreichen. Die kämpferischen Reden und der schwülstige Nationalismus kommen in Oldenburg eher vom ersten Bürgermeister Gustav Bertram, dem NSDAP-Kreisleiter Wilhelm Engelbart oder dem Oldenburgischen Ministerpräsidenten Carl Röver (-> Hörgang Pferdemarkt). Es gibt so gut wie keine Zeugnisse, in denen sich Heinrich Rabeling nationalistisch oder gar rassistisch äußert. Lediglich einmal, in einem Text zum Stadtjubiläum im Jahre 1944, kann man ein wenig seine Überzeugungen erahnen. Dort heißt es: „Je höher die menschliche Gemeinschaftsform steigt, um so straffer muss die Ordnung sein, mit der sie zusammengehalten wird. So wird der alles organisierende, moderne Staat die entsprechende Ordnungsform für das moderne Volk. Seine Wirtschaftsformen sind sozialistisch. Seine Wehrverfassung stellt das gesamte Volk in höchster technischer Spezialisierung in den Waffendienst“.

Mit dem Bericht „Die Besetzung der Stadt Oldenburg durch die Alliierten im Frühjahr 1945“ kommt außerdem eines der wichtigsten Zeugnisse zum Ende des Zweiten Weltkrieges von Heinrich Rabeling. Hier zeigt sich auch Rabelings Mut und seine Selbstlosigkeit in den letzten Kriegstagen. Diese Schilderungen sowie diejenigen des späteren Bürgermeisters Fritz Koch (-> Hörgang Altes Rathaus) waren die Grundlage für die im Hörgang Hafen geschilderten Ereignisse.

Nach dem Krieg und der knapp einjährigen Haft im Gefangenenlager Esterwegen arbeitete Heinrich Rabeling in der Verwaltung der „Centralboden Credit AG“ und des Wasser- und Schifffahrtsamtes. Er starb plötzlich und völlig überraschend am 24. Mai 1956 auf einer Reise in Bad Godesberg.

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III. Zeichnungen

Noch eine kleine Anmerkung zu der im Hörgang Hafen auftauchenden Figur des Fährmannes: Nicht nur Heinrich Heeren hat es gegeben, sondern auch seine Zeichnungen. Es gibt einen interessanten Beleg für die Beschäftigung, mit der Heinrich Heeren allzu lange Wartezeiten überbrückte. Das „Oldenburger Anzeigenblatt“ veröffentlichte unter der Überschrift „Stichwort ‚Oldenburger Geschichten‘“ einmal die folgenden beiden Zeichnungen von Heinrich Heeren:

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IV. Bilder zum Hörgang Hafen

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V. Literatur und Quellen (eine Auswahl)

… zum Oldenburger Hafen:

Boegehold, Franziska (Hrsg.): „Der ‚Stau‘. Rund um den Oldenburger Hafen. Ein fotografisches Porträt“, Veröffentlichungen des Stadtmuseums Oldenburg Band 78, Isensee Verlag, Oldenburg 2016.

… zum Kriegsende in Oldenburg:

Rabeling, Heinrich: „Die Besetzung der Stadt Oldenburg durch die Alliierten im Frühjahr 1945“, in: Lübbing; Herrmann (Hrsg.): „Oldenburg. Eine feine Stadt am Wasser Hunte“, Heinz Holzberg Verlag, Oldenburg 1972.

Koch, Fritz: „Oldenburg 1945. Erinnerungen eines Bürgermeisters“, Heinz Holzberg Verlag, Oldenburg 1984.

… zu den Jahren 1932 bis 1945 in Oldenburg:

Sommer, Karl-Ludwig: „Oldenburgs ‚braune Jahre‘ (1932-1945)“, in: Stadt Oldenburg (Hrsg.): „Geschichte der Stadt Oldenburg 1830-1995“, Isensee Verlag, Oldenburg 1996.

Rabeling, Heinrich: „Vergangenheit und Zukunft der Gauhauptstadt Oldenburg“, Gerhard Stalling Verlag, Oldenburg 1944.

Ausgaben der Zeitung „Nachrichten für Stadt und Land“ aus den Jahren 1932 bis 1945.

Ausgaben der Oldenburgischen Staatszeitung aus den Jahren 1932 bis 1945.

Goertz, Dieter: „Juden in Oldenburg 1930-1938“, Heinz Holzberg Verlag, Oldenburg 1988.

Werkstattfilm e.V. (Hrsg.): „‚Arisierung‘ in Alltag und Wirtschaft in Oldenburg zwischen 1933 und 1945“, Isensee Verlag, Oldenburg 2001.

Paulsen, Jörg: „Erinnerungsbuch. Ein Verzeichnis der von der nationalsozialistischen Judenverfolgung betroffenen Einwohner der Stadt Oldenburg 1933-1945“, Edition Temmen, Bremen 2001.

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… und noch ein Buch, das eine grundsätzliche Mentalität in der Zeit des Nationalsozialismus beschreibt, die sich in Teilen auch auf die Person Heinrich Rabeling übertragen lässt:

Arendt, Hannah: „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen“, Piper Verlag, München 1964, 1986 (erweiterte Taschenbuchausgabe).

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